An dieser Stelle geben wir Gastautoren die Möglichkeit, zu Themen ihrer Wahl eigene Standpunkte dazulegen.
Heute von Felix Winneknecht (JU KV Bad Kreuznach):
Die Coronakrise hat über die letzten Wochen unser aller Leben auf den Kopf gestellt und es herrscht bei vielen Menschen Verunsicherung. Ich konnte in den letzten Wochen im eigenen Umkreis eine Flut an Fake-News und Verschwörungstheorien beobachten. Zuerst war ich ein wenig verwundert, denn so etwas wird normalerweise nur von einer kleinen Personengruppe verbreitet und geglaubt, doch es wurden mit der Zeit immer mehr Personen, die solche Mythen
und „Fakten“ mit mir und meinem Bekanntenkreis teilten. Wenn man sich diese Informationen genauer ansieht, sind viele davon dem rechten Milieu zuzuordnen beziehungsweise sie werden von rechten Plattformen verbreitet. Dadurch drängt sich deren Ideologie immer mehr in die Mitte der Gesellschaft. Wir erleben hier eine Verschiebung der politischen Debatte.
Verschwörungstheorien nutzen gezielt unsere Ängste aus um ein bestimmtes Ziel zu verfolgen,
doch ist das eben nicht immer leicht zu erkennen. Die Menschen suchen Kontrolle in einer Situation der Ohnmacht. In einer Krise hat nicht jeder von uns die Energie völlig rational zu denken und ruhig zu bleiben, weshalb sich gerade jetzt mehr dieser Theorien im Umlauf befinden. Ob nun eine politische Motivation, das Stiften zivilen Ungehorsams, kurzfristige mediale Aufmerksamkeit oder finanzielle Interessen hinter den verbreiteten Botschaften stecken, ist Spekulation.
Dennoch erleben wir im Moment die Entstehung des „Wutbürgers 2.0“, der angeblich kritisch denkt und das große Ganze zu sehen scheint. Auf komplexe Probleme, zu denen selbst führende Experten noch miteinander zur aktuellen Faktenlage debattieren und sich diese immer wieder ändert - denn so funktioniert Wissenschaft, werden hier einfache Erklärungsmuster gefunden oder akute Gefahren einfach verharmlost. Hauptinformationsquellen sind hierbei Social-Media und YouTube, sowie diverse Blogs. Das Problem hierbei ist, dass in solchen Videos und auf solchen Blogs eben nicht nur Corona Verschwörungstheorien veröffentlicht werden, sondern auch andere Theorien rechten oder anderen Ursprungs verbreitet werden. Ein Beispiel dafür ist die Seite „KenFM“ von Ken Jebsen, auf der neben Corona-Verschwörungstheorien (vielleicht bekannt durch seine Interviews mit Prof. Dr. Sucharit Bhakdi) unter anderem antisemitische und antikapitalistische Theorien veröffentlicht werden. Man wird wie in einer Sekte immer tiefer in deren Welt hineingezogen.
Das Beispiel USA der letzten Tage zeigt eindeutig, wie gefährlich diese Verschwörungsmythen sein können: Vergangene Woche demonstrierten in mehreren Bundesstaaten der USA tausende Menschen gegen die Lockdown-Maßnahmen. Die Verbreitung rechter Propaganda zum Beispiel durch FoxNews oder Breitbart ist hierbei nicht hilfreich. Auch in Berlin und anderen deutschen Großstädten tummelten sich vergangenes Wochenende bei Anti-Corona Kundgebungen bekannte Rechtspopulisten und Verschwörungstheoretiker. Diese Proteste gefährden den Fortschritt bei der Eindämmung des Virus, der über die letzten Wochen hart erarbeitet wurde. Sie fördern zivilen Ungehorsam auf Basis von falschen Fakten und Halbwahrheiten um ihre eigene politische Agenda
durchzusetzen und politische Feinde zu diskreditieren.
Viele dieser verbreiteten Verschwörungsmythen berufen sich auf die Freiheit des Individuums, und der Würde des Menschen. Somit entsteht ein klassisches Dilemma: Eigene Freiheit vs. Freiheit der Anderen. Nach ihrer Argumentation steht die eigene Würde über der der Risikogruppe. Nach Artikel 1 des Grundgesetz ist „Die Würde des Menschen […]unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt […]“. Eine demokratische Gesellschaft mit sozialen Grundsätzen sollte in diesem Fall ganz klar eine entsprechende Linie ziehen. Wenn plötzlich Ideen und Aussagen salonfähig geworden sind, die man vorher ohne Scham nicht aussprechen konnte, dann läuft etwas schief.
Ein wesentliches Merkmal einer Demokratie ist die Meinungsfreiheit. Auch kritisches Denken ist zu jeder Zeit erwünscht, doch beinhaltet dieses auch, dass man die Qualität der Quelle zu prüft und dementsprechend ein Urteil über die Aussage fällt bevor man auf „Teilen“ klickt. Aus diesem Grund müssen wir gemeinsam Verschwörungsmythen und Fake-News aufklären, dabei aber trotzdem nicht die Menschlichkeit vergessen. Die meisten Personen, die so etwas verbreiten sind einfach verunsichert. Die Corona-Krise ist nicht die erste und auch nicht die letzte Krise für unsere Gesellschaft. Gerade jetzt ist es die Pflicht aller Demokraten sich gegen Fake- News und dergleichen zu wehren und eine Verschiebung der politischen Debatte zu verhindern.
In diesem Sinne: Bleibt gesund!
#wirgegenfake